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2015
Telefonische Aufklärung des Patienten - Alles klar?
Die telefonische Aufklärung des Patienten ist in jüngster Zeit immer wieder Gegenstand von kontroversen Äußerungen. Viele Leistungsträger, vor allem im stationären und belegärztlichen Bereich sehen darin eine willkommene Möglichkeit Anwesenheitszeiten und -frequenz der Ärzte zu reduzieren.
Dass jeder ärztliche Eingriff eine fachgerechte und ausreichende Aufklärung des Patienten erfordert, ist bekannt und Gegenstand vieler gerichtlicher Streitigkeiten. Klassischer Hebel im medizinrechtlichen Streit ist die sog. Aufklärungsrüge. Die vollständige und korrekte Aufklärung des Patienten vor einem Eingriff ist demnach die "Achillesferse" im invasiven Arzt-Patienten-Verhältnis. Es stellt sich also die Frage, ob die telefonische Aufklärung mit der Aufklärung im persönlichen Gespräch unter Anwesenden wirklich vergleichbar ist.
Fachexperten für diesen Bereich bezeichnen die telefonische Patientenaufklärung als "juristische Gradwanderung". Folgende Fallstricke sind besonders relevant:
• Der Patient muss aufgrund der Aufklärung ein vollständiges und zutreffendes Bild des Eingriffes sowie mögliche Alternativbehandlungen erhalten und auch für sich verstanden haben. Dabei spielt auch der Ablauf der Behandlung eine Rolle. Aufgrund eines Telefonates ist es schwieriger als im direkten Gespräch auszuschließen, dass der Patient aufgrund eigener Indispositionen Bestandteile des Aufklärungsgespräches nicht oder nicht richtig versteht.
• Dem Arzt steht bei einem Telefonat nicht das Mittel eines direkten Eindrucks, wie der Patient auf die Information reagiert, zur Verfügung. Er sieht ihn nicht. Die Folge sind mögliche Missverständnisse und unklare Gesprächssituationen. Besonders bei älteren/ behinderten Patienten.
• Der Arzt kann sich auch keinen genauen Eindruck darüber verschaffen, welche sonstigen Personen im Bereich des aufzuklärenden Patienten gegenwärtig sind. Gibt es Mithörer, oder nicht? Wer sind diese Personen? Was werden sie später über das Gespräch als evtl. Zeugen aussagen? Also sind auch Beweisprobleme für den Arzt relevant.
• Es kommt hinzu, dass die Telefonate meistens unter dem Zeitdruck des Arztes geführt werden. Dieser muss zum einen mittels Telefon die wichtigen Informationen vermitteln und zum anderen das Gespräch mit dem Patienten angemessen dokumentieren. Es besteht naturgemäß die Gefahr, dass der Arzt sich in das telefonische Gespräch mit dem Patienten vertieft, und seiner zweiten Aufgabe, die einer Dokumentation des Telefonates, manchmal nicht vollständig gerecht wird. Dies kann dazu führen, dass Aufklärungsbögen nur unzureichend ausgefüllt sind, was zu einem Dokumentationsmangel in einem Prozess führen könnte.
Im Hinblick auf die vorgenannten Risiken ist von einer telefonischen Patientenaufklärung abzuraten, wenn es um Fälle von einer gewissen Tragweite geht.
Kleine Eingriffe mit geringem Risiko (auch für die Anästhesie) können durchaus qualifiziert telefonisch aufgeklärt werden, wenn die Handhabung des Gespräches und dessen Organisation und Ablauf strukturiert und sorgfältig erfolgt.
Es erweist sich immer wieder, dass Patienten unter Heranziehung von angeblichen Zeugen, die bei dem Telefonat dabei gewesen sein wollen, die Beweislage zu Ungunsten des Behandlers verändern. So z. B. ein wichtiges Urteil des OLG München in dieser Sache.
Der wirtschaftliche Gewinn, der durch eine telefonische Patientenaufklärung vielleicht erwartet wird, wird vielfach dadurch in Frage gestellt, dass es zu einem erhöhten Kontroll- und Verwaltungsaufwand bei der Dokumentation der Aufklärung, bei evtl. Rückfragen des Patienten, und nicht zuletzt bei Nachteilen in Behandlungsprozessen kommt.
Im Ergebnis wird die telefonische Aufklärung nur bei Routineeingriffen mit kleiner Tragweite das Mittel der ersten Wahl sein.
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